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Kapitel II

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Welche Bedeutung haben Gerüche in Pflegeeinrichtungen?

Alters- und Pflegeeinrichtungen sind gleichzeitig Lebens-, Arbeits- und Pflegeraum und damit eine Schnittmenge vieler Wirklichkeiten. Wo viele Menschen zusammen leben und arbeiten, bilden sich vielfältige, sich überlagernde Geruchseinflüsse, die die Menschen im Alltag auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigen. 

Darstellung der geruchsbildenden Faktoren a), die zum Umgebungsgeruch b) führen und das subjektive Wohlbefinden der Personen und damit die Kommunikation und Interaktion beeinflussen c).

Anspruchsgruppen

«Welche Geruchsreize welche Reaktion hervorrufen, hängt von der sozio-kulturellen Prägung, von biografischen Ereignissen und von der Geruchsempfindlichkeit unserer Nase ab.»

Alters- und Pflegeeinrichtungen sind gleichzeitig Lebens-, Arbeits- und Pflegeraum und damit eine Schnittmenge vieler Wirklichkeiten. Gerüche spielen in diesem komplexen System für Bewohnende, Mitarbeitende und Angehörige tagtäglich auf verschiedenen Ebenen eine Rolle. Dabei können auch Interessenskonflikte und Missverständnisse entstehen. Umso wichtiger sind ein gegenseitiges Verständnis für die Situation und Befindlichkeiten der verschiedenen Akteure.

Für Bewohnende ist die Pflegeeinrichtung ihr Lebensmittelpunkt, das Bewohnendenzimmer ihr letztes Refugium. Mit dem Übergang aus der angestammten Wohnung verändern sich das soziale und wohnliche Umfeld und die Tagesstruktur. Vertraute Dinge und Gerüche brechen weg, neue fremde Dinge und Gerüche treten auf. Für die Adaption am neuen Ort kann mit dem Aufrechterhalten von Gewohnheiten und den daran gebundenen Gerüchen Kontinuität und Geborgenheit geschaffen werden. Mitarbeitende und Angehörige können Bewohnende dabei unterstützen, ihr Zimmer und den Alltag nach ihren eigenen Vorstellungen und unter Berücksichtigung ihrer Geruchspräferenzen zu gestalten.

Mitarbeitende von Pflegeeinrichtungen werden in ihrem Arbeitsalltag mit dem Thema Geruch konfrontiert, und sie nehmen es als ihre Aufgabe wahr, um zu einer angenehmen Geruchsatmosphäre für sich, die Bewohnenden und externen Gäste beizutragen. Je nach Bereich variieren die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten. Besonders die Pflegekräfte sind durch ihre Arbeit im Bewohnendenzimmer und nahe am Körper der pflegebedürftigen Menschen unterschiedlichsten Gerüchen ausgesetzt, die sie nur begrenzt beeinflussen können. Werden Mitarbeitende im Umgang mit dem Thema Geruch unterstützt, wirkt sich das auf ihr Wohlbefinden, ihre Arbeitsqualität und die Geruchsatmosphäre im ganzen Haus aus.

Für externe Gäste weckt der erste Geruchseindruck beim Betreten einer Pflegeeinrichtung unweigerlich Interpretationsräume hinsichtlich der Pflegequalität. In der Hotelbranche wird der erste Eindruck als «Arrival Experience» bewusst auch olfaktorisch gestaltet. Nach dem ersten Eindruck wirken sich Geruchssituationen während des Aufenthalts auf das Besuchserlebnis aus. Fremde, unangenehme Geruchswahrnehmungen während des Besuchs – wie die Entsorgung von Windeln im Personenlift, Uringeruch auf den Stationen, abgestandener Essensgeruch in der Cafeteria – können im Extremfall zur Hemmschwelle für regelmässige und längere Besuche werden.

Einflussfaktoren

«Die Geruchskultur wird von weichen und harten Faktoren beeinflusst.»

Jede Pflegeeinrichtung hat ihre eigene Kultur im Umgang mit dem Thema Geruch. Geprägt wird diese von weichen und harten Einflussfaktoren.

Zu den «weichen» Einflussfaktoren zählen die dort arbeitenden und lebenden Menschen, ihr Wissen und ihr Bewusstsein für die Bedeutung von Gerüchen für unser Wohlbefinden. Mit den Menschen, die in eine Pflegeeinrichtung kommen, gehen auch Wissen, Ideen, Produkte und Abläufe im Umgang mit dem Thema Geruch einher. So entwickelt sich der Umgang mit Gerüchen und der Einsatz von Duft als Ressource über die Zeit und führt zu einer Geruchs- und Duftkultur, die in jeder Pflegeeinrichtung individuell ist.

Nebst den menschlichen weichen Einflussfaktoren spielen auch «harte» Einflussfaktoren eine Rolle für die Geruchskultur. Dies sind bauliche und gebäudetechnische Bedingungen, die Materialisierung der Räume sowie materielle und alltägliche Dinge wie Pflege-, Reinigungsprodukte und das Mobiliar.

Im Zusammenspiel der weichen und harten Einflussfaktoren entstehen so die Geruchsumgebung und die Kultur sowie Haltung im Umgang damit.

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Räume

Der raumgestalterischen Ebene kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Von der Konfiguration der Räume mit ihren Funktionen, den verbauten Materialien bis zur eingesetzten Lüftungs- und Gebäudetechnik.

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Menschen

Menschen sind gleichzeitig Wahrnehmende wie auch aktiv Gestaltende der Geruchsumgebung. Durch ihre Handlungen und ihre Körpergerüche tragen sie zur Geruchsumgebung bei.

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Handlungen

Unser Tagesablauf ist geprägt von zahlreichen Handlungen, die bewusst oder unbewusst die Geruchsumgebung beeinflussen.

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Objekte

Über die Wahl der Objekte und Dinge in unserer Umgebung, über unsere Handlungen und Interaktionen beeinflussen wir bewusst oder unbewusst unsere eigene Geruchsumgebung, wie auch diejenige unserer Mitmenschen.

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Interaktionen

Wo viele Menschen zusammen leben und arbeiten, sind die Gerüche unserer Mitmenschen präsent. Besonders in Berufen wie der Pflege sehen sich Mitarbeitende und Bewohnende wechselseitig ihren Körpergerüchen ausgesetzt.

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Kommunikation

Die Kommunikation über das Thema Geruch fällt nicht allen einfach, da Gerüche sehr intime Emotionen und Befindlichkeiten betreffen können. Eine offene Kommunikation ist jedoch die Grundlage für ein erfolgreiches Geruchsmanagement.

Wie es in unserer Umgebung riecht, ist das Resultat vom Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren.

Handlungsfelder

«Desodorisierung und Reodorisierung»

Geruchssituationen können auf der sogenannten Hedonik-Skala von sehr unangenehm bis sehr angenehm eingeordnet werden. Aktivitäten im Umgang mit Gerüchen in einer Pflegeeinrichtung lassen sich entlang dieser Hedonik-Skala in zwei grobe Handlungsfelder einteilen: Handlungsfeld a) hat die Desodorisierung zum Ziel (Vermeidung und Prävention von Gerüchen), Handlungsfeld b) die Reodorisierung (Hervorbringung von angenehmen Gerüchen). Entlang einer zweiten vertikalen Achse können die Handlungsebenen ergänzt werden: individuelle, gemeinschaftliche und betriebliche Ebene (siehe Abbildung unten).

Die Prävention und Neutralisierung von unangenehmen Gerüchen bildet die Grundlage für eine angenehme Geruchsatmosphäre. In neuen Gebäuden mit einer durchdachten Raumkonfiguration, einer zeitgemässen Gebäudetechnik und sorgfältig ausgewählten Materialien kann heutzutage eine neutrale bis angenehme Geruchsatmosphäre gewährleistet werden. Situationsbezogene Geruchsbildungen lassen sich zwar nicht immer vermeiden, doch mit eingespielten Reinigungs- und Pflegeabläufen, den richtigen Hilfsmitteln sowie Strategien können aber auch hier eine Ausbreitung von unangenehmen Gerüchen vermieden und eine effiziente Neutralisierung erreicht werden. Herausfordernder sind Situationen, in denen Interessenskonflikte aufeinandertreffen, wie z. B. der für Pflegende als unangenehm empfundene Geruch eines hygienisch grenzwertigen Sessels in einem Bewohnendenzimmer, von dem sich die Bewohnende nicht trennen will, der Käsegeruch aus dem Kühlschrank der Gemeinschaftsküche, der sich regelmässig in die Gänge ausbreitet. Um solche Situationen unter Berücksichtigung der Befindlichkeiten aller betroffenen Akteure zu klären, bedarf es Empathie und Kommunikation.

Ist der Umgang mit unangenehmen Geruchsbildungen unter Kontrolle, liegt ein grosses Potenzial im zweiten Handlungsfeld, um eine Atmosphäre zu gestalten, in der sich die Menschen wohlfühlen und gerne leben und arbeiten. Hier sind der Kreativität für bereichsübergreifende Ideen keine Grenzen gesetzt – sowohl auf individueller, gemeinschaftlicher wie auch betrieblicher Ebene.

Darstellung zur Verortung der Geruchsphänomene in Pflegeeinrichtungen mit den beiden Handlungsfeldern. Handlungsfeld a) hat die Deodorisierung zum Ziel, Handlungsfeld b) die Reodorisierung.

Über die Jahre sammeln sich in Pflegeeinrichtungen verschiedene Dinge an, die die Geruchsumgebung beeinflussen. Von Zeit zu Zeit lohnt sich ein Gerruchsinventar mit einer Ist- und Soll-Analyse sowie einem Abgleich der Wissensstände unter den Mitarbeitenden.

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