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Kapitel II

Frau Keiser,
Angehörige

Angehörige fühlen sich mitverantwortlich für das Wohlergehen einer ihnen nahestehenden Person in einer Pflegeeinrichtung. Gleichzeitig erwarten sie, dass sie als Besuchende selber Wertschätzung erfahren und willkommen sind – auch in olfaktorischer Hinsicht. Die Geruchsumgebung eröffnet bei Angehörigen Interpretationsräume in Bezug auf die Pflege- und Betreuungsqualität.

Überlagern sich bereits im Eingangsbereich verschiedene Geruchseinflüsse, die nicht kontextualisiert werden können, beeinflusst dies das «Arrival Experience» negativ und eröffnet Interpretationsräume.

Angehörige als Wahrnehmende der Geruchsumgebung

«Wenn ich meine Mutter im Pflegeheim besuche, dann will ich mich willkommen fühlen und erwarte, dass es angenehm riecht.»

Angehörige fühlen sich für das Wohlergehen der nahestehenden Person in einer Pflegeeinrichtung mitverantwortlich. Gleichzeitig wollen sie sich an dem Ort selber wertgeschätzt fühlen.

Gerüche können vor diesem Hintergrund schnell Interpretationsräume hinsichtlich der Pflege- und Betreuungsqualität eröffnen. Die Geruchsumgebung beeinflusst, wie wir die Atmosphäre eines Raumes oder Gebäudes wahrnehmen und ob wir uns darin wohlfühlen. Angehörige betonen, dass der erste Eindruck beim Betreten des Hauses besonders wichtig sei. Die Geruchsumgebung kann mitbeeinflussen, ob man sich für oder gegen ein Zimmer in einer Pflegeeinrichtung entscheidet.

An Räume mit ihren Funktionen haben wir hinsichtlich des Geruchs bestimmte Erwartungen. Z. B. wollen wir uns im Eingangsbereich eines Gebäudes willkommen fühlen und erwarten, dass es dort angenehm riecht. Beim Besuch der Cafeteria am Nachmittag erwarten wir ebenfalls, dass es angenehm nach Kaffee und Kuchen riecht und nicht nach abgestandenen Essensgerüchen vom Mittagessen. Stimmen die Erwartungen und Gegebenheiten nicht überein, kann dies zu Missverständnissen führen.

Unangenehme Geruchsbildungen gehören situationsbezogen zum Alltag in einer Pflegeeinrichtung dazu. Angehörige, die just in dem Moment ihre nahestehende Person im Haus besuchen, während es unangenehm riecht, können dies missdeuten. Das kann zu Fragen und Diskussionen mit Pflegenden hinsichtlich der Pflege- und Betreuungsqualität führen. Im schlimmsten Fall werden unangenehme Geruchserlebnisse zu Hemmschwellen, was künftige und regelmässige Besuche betrifft.

Spricht man das Thema als Pflegeeinrichtung im Vorfeld proaktiv an und zeigt auf, wie umfassend versucht wird, situationsbezogene Geruchsereignisse effizient zu beseitigen, und was für präventive Massnahmen zur Förderung eines angenehmen Geruchsumfelds getroffen werden, hilft das den Angehörigen, ein Verständnis dafür zu entwickeln.

Angehörige als Gestalter:innen des Geruchsumfeld

«Damit es im Zimmer meiner Mutter angenehm riecht, habe ich einen Aromaspender aufgestellt.»

Angehörige nehmen oft eine wichtige Rolle bei der Einrichtung und Gestaltung des Bewohnendenzimmers ein – dies auch auf der olfaktorischen Ebene. In den Interviews erzählten Angehörige, wie sie Diffusoren oder Duftstäbchen in den Zimmern platzieren, um eine angenehme Geruchsatmosphäre zu schaffen. Besonders auch in Fällen von Inkontinenz, um so einem Uringeruch entgegenzuwirken. Eine andere Angehörige hatte zudem Lavendelsäcklein mitgebracht, um sie in die offen herumstehenden Schuhe zu legen.

Für Bewohnende sind Angehörige der wichtigste Kontakt nach aussen. Sie sind auch diejenigen, die den Bewohnenden noch ihre bevorzugten Kosmetik- und Pflegeprodukte besorgen können. Diese Produkte und die damit verbundenen Gerüche, wie z. B. ein Parfüm, können für die Bewohnenden Geborgenheit und Vertrautheit vermitteln.

Solange Bewohnende sich noch selber artikulieren können und kognitiv fit sind, können sie sich selber dafür einsetzen, diese Dinge weiterhin zu erhalten und nutzen zu dürfen. Mit dem geistigen Abbau oder einer fortschreitenden Demenz nimmt die Selbstbestimmung ab und damit auch die Kontrolle über das olfaktorische Umfeld. Das fehlende Bewusstsein für die Bedeutung von gewohnten Gerüchen für unser Wohlbefinden kann dazu führen, dass z. B. auf den weiteren Einsatz des gewohnten Parfüms verzichtet wird und anstatt des gewohnten Duschmittels ein Standardprodukt des Pflegeheims eingesetzt wird. Umso mehr sind Sensibilität und Aufmerksamkeit im Umgang mit sich verändernden Bewohnenden gefragt. Gerade auch bei demenziellen Erkrankungen kann Vertrautes, etwa ein bekannter Geruch, zu einer positiveren Wahrnehmung des Wohnumfelds beitragen.

«In der Demenzabteilung haben sie auch keine Blumen, keine Pflanzen und das hatten sie halt zu Hause. Und ich denke das fehlt ihr auch. Wobei sie kann es natürlich nicht mehr sagen, dass ihr wirklich das fehlen würde.»

Tochter von Bewohnerin in einer Pflegeeinrichtung

Ob sich Angehörige im Pflegeheim der nahestehenden Person willkommen und wertgeschätzt fühlen, hängt auch von der Geruchsumgebung ab. Herumstehende Speieseabfälle im Eingangsbereich tragen sicher nicht dazu bei (Bildeer rechts). Ein gefplegter Empfangs- und Aufenthalsbereich ohne störende Geruchseinflüsse hingegen schon (Bilder links).

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